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Kein Anspruch auf Beseitigung von Bäumen auf dem Nachbargrundstück wegen Verschattung des Gartens

 

 

Der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück stellt keine Einwirkung i.S.v. § 906 BGB dar.

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Verschattung eines Gartens durch Bäume vom Nachbargrundstück einen Anspruch des beeinträchtigten Nachbarn auf deren Beseitigung begründen kann.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger sind Eigentümer eines in Nordrhein-Westfalen gelegenen Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr 10 mal 10 m großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen. Die Kläger verlangen die Beseitigung dieser Bäume mit der Begründung, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich infolgedessen weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil durch Zurückweisung der Revision bestätigt.

Den Klägern stehe kein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu, da deren Eigentum nicht beeinträchtigt werde. Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen – hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden Bäume – sei im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar könnten nach dem in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zähle aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Entzug von Luft und Licht als sog. „negative“ Einwirkung nicht. Dies hat der BGH im Hinblick auf Anpflanzungen erneut bestätigt.

Allerdings werde das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von Pflanzen und Bäumen i.S.v. § 1004 BGB beeinträchtigt, wenn die in den Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Dies sei hier nicht der Fall, weil der nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesrecht für stark wachsende Bäume vorgeschriebene Abstand von 4 m (§ 41 Abs. 1 Nr. 1a NachbG NRW) gewahrt sei. Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch komme mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setze voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt würden. Daran fehle es, selbst wenn insoweit – was der BGH offengelassen hat – nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre. Denn das Oberlandesgericht sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bepflanzung den Klägern noch zuzumuten sei, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle. Zudem sei bei der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der vorgeschriebene Abstand um mehr als das Doppelte überschritten werde. Umso mehr trete in den Vordergrund, dass öffentliche Grünanlagen zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollen, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum sei. Die damit einhergehende Verschattung sei Ausdruck der Situationsgebundenheit des klägerischen Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage belegen ist.

Kontext der Entscheidung

Der Senat hält hinsichtlich eines Entzugs von Licht und Luft durch Anpflanzungen an seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich fest, nach der sog. „negative“ Einwirkungen vom Nachbarn grundsätzlich nicht abgewehrt können. Diese können jedoch als Eigentumsbeeinträchtigung anzusehen sein, wenn die betreffende Grundstücksbenutzung gegen eine Rechtsnorm verstößt, die den Inhalt des Eigentumsrechts im Interesse des Nachbarn beschränkt und damit zugleich dessen Eigentumssphäre entsprechend erweitert. Solche Rechtsnormen sind die Landesnachbarrechtsgesetze. Der BGH weist darauf hin, dass auch ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen ausnahmsweise in Betracht kommen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2012 - V ZR 97/11). Danach ist erforderlich, dass der beeinträchtigte Nachbar etwa wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2003 - V ZR 102/03).

Auswirkungen für die Praxis

Da der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück keine Einwirkung i.S.v. § 906 BGB darstellt, kann der beeinträchtigte Nachbar nur Beseitigung verlangen, wenn der nach dem jeweiligen Landesnachbarrechtsgesetz bei der Bepflanzung des Grundstücks einzuhaltende Abstand nicht gewahrt ist. Er hat ausnahmsweise die Möglichkeit, Beseitigung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zu verlangen. Dies setzt voraus, dass er ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Nachteile vorbringen kann und er die mit den Belangen des Nachbarn abzuwägenden Gesichtspunkte darlegt und seine überwiegenden Belange nachweist.

Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben, so muss der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Er kann nicht nach der Klageerhebung nachgeholt werden. Eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen (BGH, Urt. v. 23.11.2004 - VI ZR 336/03 - BGHZ 161, 145). Obwohl die Kläger keinen Schlichtungsversuch vor einer Gütestelle unternommen hatten, war die Klage dennoch zulässig. Da der Entzug von Luft und Licht als sog. negative Einwirkung nicht zu den Einwirkungen i.S.v. § 906 BGB zählt, war ein vorheriger Güteversuch i.S.v. § 15a Abs. 1 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit .a JustG NRW nicht erforderlich.

Rechtsanwalt Dimitrios Kouros