Zurück zur Website

Verbot des Betriebs von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos unionsrechtswidrig?

 

Verbot des Betriebs von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos unionsrechtswidrig?

Verbot des Betriebs von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos unionsrechtswidrig?

Der EuGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die ungarischen Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, mit dem freien Dienstleistungsverkehr vereinbar sind.

Bis zum 09.10.2012 durften in Ungarn Geldspielautomaten sowohl in Spielkasinos als auch in Spielhallen betrieben werden. Bis zum 31.10.2011 betrug die Pauschalsteuer auf den Betrieb von Geldspielautomaten, die in Spielhallen aufgestellt waren, je Spielstelle monatlich 100.000 HUF (ca. 324 Euro). Zum 01.11.2011 wurde dieser Betrag auf 500.000 HUF (ca. 1.620 Euro) erhöht. Ab diesem Datum wurde auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen außerdem eine Proportionalsteuer erhoben, die sich je Spielstelle auf 20% des 900.000 HUF (ca. 2.916 Euro) übersteigenden vierteljährlichen Nettoumsatzes belief. Für den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielkasinos galt eine andere Steuerregelung, die im Herbst 2011 nicht geändert wurde. Aufgrund eines am 02.102012 verabschiedeten Gesetzes dürfen Geldspielautomaten seit dem 10.10.2012 nur noch in Spielkasinos betrieben werden, so dass diese Tätigkeit seither nicht mehr in Spielhallen ausgeübt werden kann. Mehrere Gesellschaften, die Geldspielautomaten in Spielhallen betrieben, haben die ungarischen Gerichte angerufen, weil sie der Auffassung sind, das Unionsrecht stehe Maßnahmen entgegen, die in einem ersten Schritt ihre steuerliche Belastung drastisch erhöht und in einem zweiten Schritt mit quasi sofortiger Wirkung den Betrieb von Geldspielautomaten verboten hätten. Diese Gesellschaften fordern Ersatz für den Schaden, der ihnen durch diese Maßnahmen entstanden sei. Der mit ihren Klagen befasste Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof, Budapest, Ungarn) fragt den EuGH, ob derartige Maßnahmen mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

Der EuGH hat entschieden, dass die ungarischen Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, möglicherweise gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit verstoßen.

Nach Auffassung des EuGH stellen nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb und die Ausübung bestimmter Glücksspiele nur in Spielkasinos erlauben, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Ferner könne eine Maßnahme, mit der die Steuern auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen drastisch erhöht werden, ebenfalls als beschränkend gewertet werden, wenn sie geeignet sei, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Dies sei der Fall, wenn das nationale Gericht feststellen sollte, dass die Steuererhöhung den rentablen Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verhindert und dadurch ihren Betrieb tatsächlich auf Spielkasinos beschränkt hätte.

Die mit den streitigen Maßnahmen verfolgten Ziele, nämlich der Schutz der Verbraucher vor Spielsucht sowie die Verhinderung von Kriminalität und Betrug im Zusammenhang mit dem Spielen, könnten Beschränkungen von Glücksspieltätigkeiten grundsätzlich rechtfertigen. Mit diesen Beschränkungen müssten die genannten Ziele jedoch in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden.

Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht zu treffenden Feststellungen verfolge Ungarn offenbar eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten, in deren Rahmen u.a. im Jahr 2014 neue Konzessionen zum Betrieb von Spielkasinos erteilt wurden. Bei einer solchen Politik könne allerdings nur dann davon ausgegangen werden, dass sie die genannten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolge, wenn sie zum einen geeignet sei, einem tatsächlichen Problem in Verbindung mit kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Spielen sowie der Spielsucht in Ungarn abzuhelfen, und zum anderen keinen Umfang habe, der sie mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht unvereinbar mache, was vom nationalen Gericht zu prüfen sei.

Das nationale Gericht werde auch zu prüfen haben, ob die in Rede stehenden Maßnahmen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie das Eigentumsrecht der Spielhallenbetreiber beachteten. In diesem Zusammenhang müsse der nationale Gesetzgeber, wenn er Genehmigungen widerruft, die ihren Inhabern die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen, damit sich die Inhaber der Genehmigungen darauf einstellen könnten.

Schließlich könne der Spielhallenbetreiber für den Fall, dass eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit festgestellt werden sollte, vom ungarischen Staat Ersatz für den ihnen infolge dieses Verstoßes gegen das Unionsrecht entstandenen Schaden erhalten, soweit der Verstoß hinreichend qualifiziert sei und zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts sei.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 69/15 v. 11.06.2015; 

Gericht/Institution: EuGH
Erscheinungsdatum: 11.06.2015
Entscheidungsdatum: 11.06.2015
Aktenzeichen: C-98/14

Quelle: Juris

Rechtsanwalt Dimitrios Kouros, Düsseldorf