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Schadensersatzklage im Zusammenhang mit griechischen Staatsanleihen erfolglos

EUGH T-79/13

 

Das EuG hat entschieden, dass der Schaden, den die privaten Inhaber griechischer Schuldtitel im Jahr 2012 im Rahmen der Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden erlitten haben, nicht der EZB zuzurechnen ist, sondern den wirtschaftlichen Risiken, die regelmäßig mit Tätigkeiten im Finanzsektor einhergehen.

 

Die EZB habe beim Schutz der von den nationalen Zentralbanken und von ihr selbst gehaltenen griechischen Schuldtitel ausschließlich mit dem Ziel gehandelt, die Stabilität des Geldmarkts zu gewährleisten, so das EuG.

Zu den in Art. 127 AEUV genannten und im Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) (Protokoll Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, ABl. C 83, S. 230) näher definierten Zielen und grundlegenden Aufgaben des ESZB zählen u.a. die Gewährleistung der Preisstabilität und eine solide Geldpolitik.

In Anbetracht der Finanzkrise und der Gefahr eines Zahlungsausfalls Griechenlands vereinbarten die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZB) der Mitgliedstaaten der Eurozone (Eurosystem) am 15.02.2012 mit Griechenland, die von der EZB und den NZB gehaltenen griechischen Schuldtitel gegen neue Titel mit gleichen Nominalwerten, Zinssätzen sowie Zins- und Rückzahlungsfälligkeiten, aber anderen Kennnummern und Daten auszutauschen.

Gleichzeitig einigten sich die griechischen Behörden und der Privatsektor hinsichtlich der von privaten Gläubigern gehaltenen Schuldtitel auf einen freiwilligen Tausch und einen Schuldenschnitt von 53,5% (Private Sector Involvement, PSI). Die Eurogruppe erwartete eine hohe Beteiligung der privaten Gläubiger an diesem freiwilligen Tausch (Erklärung der Eurogruppe vom 21.02.2012).

Mit Gesetz vom 23.02.2012 (Griechisches Gesetz Nr. 4050/2012) führte Griechenland unter Rückgriff auf eine "Collective Action Clause" (CAC) den Tausch bei sämtlichen von privaten Gläubigern gehaltenen Schuldtiteln durch, auch wenn die privaten Gläubiger das Angebot eines freiwilligen Tauschs abgelehnt hatten. Bei den privaten Gläubigern lag der Nominalwert der neuen Titel um 53,5% unter dem der ursprünglichen Titel.

Ferner machte die EZB mit Beschluss vom 05.03.2012 (Beschluss 2012/153/EU über die Notenbankfähigkeit der von der griechischen Regierung begebenen oder in vollem Umfang garantierten marktfähigen Schuldtitel im Rahmen des Angebots der Hellenischen Republik zum Schuldentausch, ABl. L 77, S. 19) bei griechischen Schuldtiteln, die nicht die Mindestanforderungen des Eurosystems an Bonitätsschwellenwerte erfüllten, die Verwendung als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems von der Bereitstellung eines "Collateral Enhancement" durch Griechenland zugunsten der NZB in Form eines Rückkaufprogramms abhängig.

Mehr als 200 private Inhaber griechischer Schuldtitel (im Wesentlichen italienische Staatsbürger) beantragen beim EuG, die EZB zu verurteilen, den Schaden zu ersetzen, der ihnen in Höhe von 12 Mio. Euro u.a. durch die Tauschvereinbarung vom 15.02.2012 und den Beschluss vom 05.03.2012 entstanden sei. Die Kläger hatten beim EuG bereits eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der EZB vom 05.03.2012 erhoben, die für unzulässig erklärt wurde (EuG, Beschl. v. 25.06.2014 - T-224/12). Sie werfen der EZB vor, das berechtigte Vertrauen der privaten Inhaber von Schuldtiteln verletzt und gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung der privaten Gläubiger verstoßen zu haben.

Die Kläger vertreten die Auffassung, die EZB habe mehrere rechtswidrige Handlungen begangen, die geeignet seien, die Haftung der Union auszulösen. In ihren Pressemitteilungen und in den öffentlichen Erklärungen ihrer Präsidenten (zunächst Herr Trichet, dann Herr Draghi) habe sich die EZB wiederholt gegen eine Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden und einen selektiven Zahlungsausfall Griechenlands ausgesprochen. Außerdem habe die Tauschvereinbarung vom 15.02.2012 es der EZB und den NZB ermöglicht, sich dem PSI und damit dem Schuldenschnitt gemäß der CAC zu entziehen. Ferner sei mit dem Beschluss vom 05.03.2012 allein für die NZB ein Aufkaufprogramm griechischer Schuldtitel aufgelegt worden, obwohl diese Titel nicht den Bonitätsanforderungen genügt hätten. Unter dem Vorwand ihrer geldpolitischen Aufgabe habe sich die EZB somit zu Lasten des Privatsektors den Status eines "privilegierten" Gläubigers vorbehalten. Ohne den privilegierten Gläubigerstatus der EZB und der NZB und ohne das allein den NZB zugebilligte Aufkaufprogramm wäre es bei den Schuldtiteln der privaten Gläubiger nicht zu einer solchen Wertminderung und einem solchen Verfall gekommen.

Das EuG hat die Klage von Herrn A. und der übrigen Investoren abgewiesen und jede Haftung der EZB ausgeschlossen.

Nach Auffassung des EuG können sich die privaten Investoren in einem Bereich wie dem der Geldpolitik, die Gegenstand einer ständigen Anpassung anhand der Veränderungen der wirtschaftlichen Lage ist, weder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen. Die privaten Investoren hätten die äußerst instabile wirtschaftliche Situation kennen müssen, die die Fluktuation des Werts der griechischen Titel bestimmt habe. Sie hätten daher das Risiko einer Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden in Anbetracht der insoweit innerhalb des Eurosystems und bei den anderen beteiligten Organisationen (Kommission, IMF und EZB) bestehenden unterschiedlichen Standpunkte nicht ausschließen können.

Die Pressemitteilungen und die öffentlichen Erklärungen bestimmter Mitglieder der EZB hätten allgemeinen Charakter gehabt und von einem Organ gestammt, das nicht für die Entscheidung über eine etwaige Umstrukturierung der Staatsschulden eines Mitgliedstaats zuständig war. Im Übrigen hätten diese Mitteilungen und Erklärungen keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite enthalten, die aus diesem Grund berechtigte Erwartungen hätten begründen können. Auch der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung sei nicht anwendbar, da sich die privaten Sparer oder Gläubiger und die EZB (ebenso wie die NZB des Eurosystems) nicht in einer vergleichbaren Situation befunden hätten. In Anbetracht der griechischen Finanzkrise und der damit verbundenen außergewöhnlichen Umstände habe sich die EZB ausschließlich von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen leiten lassen, wie etwa dem Ziel der Gewährleistung der Preisstabilität und einer soliden Geldpolitik. Die privaten Investoren oder Sparer hätten hingegen in Verfolgung eines rein privaten Interesses, und zwar der Erzielung einer höchstmöglichen Rendite, gehandelt.

Der Schaden, den die Privatpersonen im vorliegenden Fall geltend machen, entspreche den wirtschaftlichen Risiken, die regelmäßig mit geschäftlichen Aktivitäten im Finanzsektor (Transaktionen mit handelbaren Staatsanleihen) verbunden seien; dies gilt umso mehr, wenn ein Staat – wie Griechenland ab Ende 2009 – ein verschlechtertes Rating aufweist.

Quelle: Pressemitteilung des EUG Nr. 119/15 v. 07.10.2015

Rechtsanwalt Dimitrios Kouros, Düsseldorf